Alnatura Initiative Milch & Fleisch
Kurz & knapp: Alnatura Initiative Milch & Fleisch
- Bio-Aufzucht von Kälbern aus Bio-Milchviehhaltung
- Unterstützt den Aufbau regionaler Bio-Strukturen
- Verarbeitung von Fleisch aus der Bio-Milchviehhaltung
- für mehr Tierwohl und geschlossene Kreisläufe
Kühe sind Hochleistungstiere und durch die menschliche Züchtung in den letzten Jahrzehnten stark spezialisiert - entweder auf Fleisch- oder auf Milchleistung. Hinzu kommt, dass eine Kuh naturgegeben nur dann Milch gibt, wenn sie jährlich ein Kalb auf die Welt bringt. Doch es braucht die vielen Kälber nicht. Die auf hohe Milchleistung gezüchteten Rassen sind mager und setzen kaum Fleisch an, eine Mast ist daher wenig lukrativ.
Auch in der Bio-Branche fehlen Strukturen und Absatzkanäle für die "überzähligen" Tiere.
Das wollen wir mit der Alnatura Initiative Milch & Fleisch ändern.
Warum Milch und Fleisch zusammengehören
Berechnungen zufolge sind mit jedem Liter Milch auch rund 25 Gramm Rindfleisch verbunden.1 Nun könnte die Lösung lauten: Mehr Bio-Rindfleisch auf den Teller! Wäre da nicht die Tatsache, dass dieses fast immer vom Rind einer fleischbetonten Rasse stammt und eben nicht aus der Milchwirtschaft.
In der Alnatura Initiative betrachten wir Milchviehbetriebe ganzheitlich und sorgen dafür, dass die Kälber in der Region bleiben und dort nach Bio-Richtlinien aufwachsen können. Dafür werden regionale Strukturen aufgebaut und etabliert. Das Fleisch aus der Bio-Milchviehhaltung wird zu Wurst verarbeitet.
Den Anfang im Alnatura Sortiment machen drei Neuprodukte: In Rindersalami, Rinder-Bratwürstchen und Rinder-Wienern wird Fleisch verarbeitet, das aus der biologischen Milchviehwirtschaft stammt. Und dabei soll es nicht bleiben, Gespräche mit Partner-Molkereien zur Ausweitung der Initiative laufen bereits.
Halten Sie Ausschau nach Produkten der Alnatura Initiative Milch & Fleisch – sie stehen für mehr Tierwohl und hochwertigen Genuss.
Bild: Unsere Alnatura Kolleginnen Dr. Christina Well (rechts) und Lisa Benz im Gespräch mit Michael Huber
Interview: "Öko-Kälber brauchen mehr Rindfleisch-Esser"
Ulrich Mück ist Agraringenieur sowie Experte für nachhaltige Rinderhaltung und Ernährung. Mehr als 30 Jahre war er Demeter-Berater und unterrichtete an bayerischen Fachschulen für Öko-Landbau und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, warum Milch und Rindfleisch zusammengehören und was es braucht, um ein aus dem Gleichgewicht geratenes System wieder in Einklang zu bekommen.
Herr Mück, Sie schreiben im Kritischen Agrarbericht 2023, dass mit jedem Liter Öko-Milch rund 25 Gramm Rindfleisch verbunden sind. Wie kommen Sie darauf?
"Eigentlich ist es ganz einfach: Eine Kuh gibt nur dann Milch, wenn sie jedes Jahr ein Kalb bekommt. Von diesen Kälbern wird aber nur jedes dritte oder vierte zur Nachzucht einer neuen Milchkuh benötigt. Berechnungen, in die man Jahresmilchleistung, Mastverfahren, Mastleistung und anderes einbezieht, kommen dann zu dem Ergebnis, dass mit jedem Liter Öko-Milch durch die Kuh und die zu Fleischrindern werdenden Kälber durchschnittlich 25 Gramm Fleisch erzeugt werden. Das Problem ist, dass für dieses Fleisch die Nachfrage fehlt und im Verhältnis deutlich mehr Bio-Milch, auch in Form von Butter, Joghurt und Käse, verzehrt wird als Bio-Rindfleisch. Für die meisten Öko-Milchviehkälber gibt es dadurch keine Verwendung, sie verlassen die Bio-Höfe und kommen in konventionelle Strukturen. Wer also möchte, dass diese Kälber artgerecht gehalten werden und nach Bio-Richtlinien aufwachsen, muss paritätisch zur Milch auch entsprechende Mengen Fleisch essen."
Mehr Fleisch essen ist die Lösung?
"Mehr Bio-Rindfleisch bitte; und dafür weniger Schwein und Geflügel. An dieser Stelle ein kleiner Ausflug in unsere Kulturgeschichte: Während Rinder die Menschen schon seit Jahrtausenden begleiten und für sie nichtessbares Grasland in Nahrung umwandelten, kamen Schweine und Geflügel als Haus- und Nutztiere erst viel später hinzu. Ihr Fleisch früher war eher der Elite, den Königshäusern und Adligen, vorbehalten und Luxusgut. Denn Schwein und Geflügel ernähren sich großteils von Ackerfrüchten wie beispielsweise Getreide. Sie stehen damit in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Rinder hingegen sind Weidetiere, die sich überwiegend vom Gras der Wiesen und Weiden – welches vom Menschen nicht verwertbar ist – ernähren. Zudem geben sie dem Boden wertvollen Dünger, Humus wird aufgebaut und auf der Weide sind die Kuhfladen ein Quell der Biodiversität. Nicht umsonst ist das Rind ein wichtiger Bestandteil des Kreislaufgedankens der Bio-Landwirtschaft. Bei Demeter gehört die Kuh sogar verpflichtend auf jeden landwirtschaftlichen Hof."
Andererseits wird der Kuh immer wieder vorgeworfen, dass sie ein Klimakiller sei.
"Leider und fälschlicherweise. Denn Rinder sind – sofern sie sich von Grünland, nämlich dem Gras der Wiesen und Weiden, ernähren – Klimaschützer. Grünland-Flächen speichern sehr viel Humus und haben gegenüber Acker ein sehr großes Potenzial zur CO2-Speicherung. Man weiß mittlerweile, dass in den Böden des Dauergrünlandes etwa fünfmal mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in allen Ackerflächen der Erde2."
Zurück zu den Kälbern aus der Milchviehwirtschaft, die nach Bio-Richtlinien aufgezogen werden sollen. Ist das in der Praxis überhaupt möglich, oder anders gefragt: Was braucht es dafür?
"Es braucht einen Paradigmenwechsel. Man muss die in den letzten 50 Jahren auseinandergefallenen Wirtschaftszweige 'intensive Milcherzeugung in Form von Hochleistungsmilchrassen' und 'intensive Fleischerzeugung in Form von Fleischrinderrassen' wieder zusammenführen; und bei Bio auch zusammendenken. Es braucht eine Vernetzung zwischen eben diesen Betrieben und das Aufzeigen von Wegen, wie es – auch wirtschaftlich – für die Betriebe funktionieren kann. Eine Idee wäre, dass Milchviehkälber auf andere Bio-Höfe kommen und dort von Ammen aufgezogen werden. Denn eine Bio-Ammenkuh kann bei entsprechender Ernährung gerne neben dem eigenen noch ein oder mehrere weitere Kälber aufziehen. Man nennt das auch kuhgebundene Aufzucht. Dann könnten viele Bio-Milchviehkälber auf Bio-Höfen bleiben und artgerecht mit Weide und Auslauf aufgezogen werden."
Glauben Sie, dass ein solch einschneidender Paradigmenwechsel in der Milchviehwirtschaft überhaupt möglich ist?
"Warum nicht? Aus einer gesteigerten Nachfrage können sich viele Dinge entwickeln. So war es auch mit dem Bio-Landbau. Als ich ins Berufsleben einstieg, betrug der Bio-Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 0,4 Prozent, heute sind es zehn Prozent. Man muss den Menschen die Probleme und den Zusammenhang von Landwirtschaft und Ernährung erklären – und Lösungen anbieten. Insofern freue ich mich über die neue Alnatura Initiative, der ich viel Erfolg wünsche."
Das Gespräch führten Anja Waldmann und Dr. Christina Well.
1 Kritischer Agrarbericht 2023, Kapitel 4, Ulrich Mück: "Wiesen & Weiden in den Warenkorb"
2 IPCC-Sonderbericht über Klimawandel, Wüstenbildung, Bodendegradation, nachhaltiges Landmanagement, Ernährungssicherheit und
Treibhausgasflüsse in terrestrischen Ökosystemen; ipcc.ch/srccl