Warenkunde: Senf
So wächst Senf
Man schmeckt es fast schon beim Lesen: eine Pflanzenfamilie mit scharfen Inhaltsstoffen. Dabei muss man korrekterweise sagen, dass "scharf" im eigentlichen Sinne kein Geschmack, sondern eine Schmerzempfindung ist. Bei Senf sind Thioglycoside die Scharfmacher, deren eigentliche Aufgabe im Übrigen der Schutz der Pflanze vor Fraßfeinden ist. Beißt man auf ein solches Senfkorn, ist der erste Eindruck eher unspektakulär, auch riechen die Körner nur sehr dezent. Doch Obacht! Der Geschmack entwickelt sich allmählich, erst Sekunden später spürt man die Schärfe am Gaumen. Ob es beim Prickeln auf der Zunge bleibt oder einem die Tränen in die Augen steigen, darüber kann bereits die Samenfarbe Auskunft geben: Gelbe Senfsaat ist milder als braune oder gar schwarze. Hier liegt auch des Rätsels Lösung für die verschiedenen Schärfegrade einzelner Senfsorten. Der klassisch deutsche Tafelsenf ist mittelscharf und wird vor allem aus gelber Senfsaat gewonnen, soll es etwas schärfer sein, mischt man braune Senfkörner hinzu. Der Klassiker Dijon-Senf, eine sehr scharfe Sorte, wird traditionell aus schwarzen Senfkörnern hergestellt.
Apropos Dijon: Die französische Stadt war im 13. Jahrhundert das Zentrum der Senfherstellung. Der Berufsstand der Senfbereiter, Saussiers et Moutardiers, wurde hier gegründet. Die Senfbereitung läuft heute wie damals weitgehend nach dem gleichen Prinzip ab.
So wird Senf hergestellt
Die kleinen Senfkörner werden aus ihren Schoten befreit, aufwendig gereinigt und in Walzen geschrotet, um im nächsten Schritt zu Mehl verarbeitet zu werden. Dann werden – die wenigsten Senfproduzenten geben ihre Rezeptur im Detail preis – Essig, Salz, Wasser und Gewürze hinzugegeben und das Gemisch für einige Stunden einer Reife überlassen. Traditionell wird nun noch einmal gemahlen – mit dem Ziel, dass sich alle Zutaten gut verbinden. Eine weitere Reifezeit schließt sich an und nach einigen Tagen kann der Senf in Tuben und Gläser abgefüllt werden.
Man sieht schon, allzu kompliziert ist die Herstellung nicht. In England ist es sogar üblich, direkt mit angerührtem Senfpulver zu würzen. Und auch hierzulande haben experimentierfreudige Köche dem Senf ein ganz neues Image gegeben. Er ist nicht mehr nur der Dip zur Wurst oder Aromageber eines Klassikers der deutschen Küche, Senfsauce und Ei, nein, er wartet mittlerweile mit sehr interessanten Geschmackskombinationen auf. Fruchtig, durch Zutaten wie Himbeere, Mango oder Feige. Aromatisch, durch Kräuter wie Estragon oder Dill. Süß, durch das Abschmecken mit Dicksäften oder Honig. Und gerne auch bissfest, durch die Zugabe ganzer Senfkörner.
Überhaupt ist das Kochen mit ganzen Körnern einen Versuch wert. So zum Beispiel in cremigen Saucen: Einige Senfkörner in einer Pfanne anrösten, bis es leise knistert, etwas Öl, Zwiebeln und Knoblauch dazugeben und mit Sahne und Balsamico-Essig ablöschen. Passt wunderbar zu Gemüsegerichten.
Doch nicht jedermann freut sich über Senf in der Küche oder auf der Zutatenliste eines Produktes. Das scharfe Gewürz zählt zu den 14 kennzeichnungspflichtigen Allergenen. Eine Reaktion kann bei Senf-Allergikern schon beim Verzehr von Spuren auftreten. Daher findet man auf vielen Produkten, die gar keinen Senf in der Zutatenliste haben, den Satz "Kann Spuren von Senf enthalten": ein Hinweis darauf, dass dieses Produkt in einem Betrieb hergestellt wurde, der unter anderem auch mit Senf arbeitet, und dass allergieauslösende Spuren deshalb nicht auszuschließen sind.
Selbstgemachter Himbeer-Senf
60 g gelbe Senfkörner / 150 g Himbeeren (frisch oder tiefgekühlt) / 50 ml Weißwein-Essig / 1 TL Salz / 2 EL Himbeersirup
Zubereitung
Alle Zutaten fein pürieren und ggf. noch etwas Wasser hinzugeben. Senf
in ein sauberes Glas füllen und im Kühlschrank einige Tage ziehen
lassen. Hält sich, kühl gelagert, etwa 6 Monate.