Warenkunde: Fermentierte Lebensmittel
Ganz nebenbei entstehen außer Säuren auch schmackhafte Aromen und wertvolle Inhaltsstoffe; nützliche Lebendkulturen wie Milchsäurebakterien vermehren sich. Lesen Sie mehr über Lebensmittel, die durch die Arbeit von Bakterien oder Hefepilzen entstehen.
431.000 Tonnen Weißkohl wurden 2016 in Deutschland geerntet und ein nicht unerheblicher Anteil davon zu Sauerkraut verarbeitet. Im Ausland gilt es als das deutsche Gemüse schlechthin. Seine Herstellung ist nicht kompliziert, doch wird Sauerkraut heutzutage fast ausschließlich industriell erzeugt.
Gemüse selber fermentieren: Sauerkraut, Kimchi und Co.
Ein sympathischer Gegentrend ist die eigene Fermentation von Gemüse.
Es geht ganz einfach: Dafür werden Weißkohl, Möhren oder Rote Bete beispielsweise in feine Streifen geschnitten, kräftig geknetet und gesalzen, abgedeckt und sich selbst überlassen. Die weitere Arbeit erledigen in der Umwelt vorkommende Milchsäurebakterien. Ein großer Vorteil von selbst gemachtem Sauerkraut und Co. ist, dass eben diese wertvollen Mikroorganismen noch enthalten sind. Ganz im Gegenteil zu einer hocherhitzten Konserve.
Übrigens steht uns die koreanische Küche im Verbrauch sauer eingelegten Krautes in nichts nach. Kimchi kommt hier oft schon am Morgen auf den Tisch. Basis ist Chinakohl, der – je nach Landstrich, Familienrezept und Vorlieben – mit Rettich, Fischsauce, Ingwer, Chili und allerlei anderen pikant-scharfen Gewürzen eingelegt wird.
Fermentation mit Backhefe und Sauerteig
Hefe treibt die Fermentation an
"Kräftig kneten und den Teig ruhen lassen, bis sich sein Volumen verdoppelt hat." Das lesen Sie in beinahe jedem Hefeteigrezept. Zuständig für das Teigvolumen sind einzellige Hefepilze, deren Hauptnahrung die Kohlenhydrate des Getreides sind. Werden diese abgebaut, so entsteht durch enzymatischen Aufschluss unter anderem Kohlendioxid. Sobald dieses Gas entweicht, hinterlässt es Poren – der Teig "geht auf". Backen mit Hefe ist perfekt für Getreide wie Dinkel oder Weizen und der Gehprozess die Fermentation.
Fermentation mit Sauerteig
Für schwere Roggenteige aber reicht die Triebkraft der Backhefe nicht aus; hier braucht es zusätzlich Sauerteigkulturen. Diese sind ein Gemisch aus Hefen und Milchsäurebakterien. Letztere bilden Säuren, die den typischen Geschmack eines reinen Roggenbrotes ausmachen und seine Haltbarkeit verlängern. Kein Wunder also, dass eine lange Teigführung – und das gilt auch für Weizen oder Dinkel – Brote von besonderer Qualität hervorbringt. Handwerkliches Geschick und Geduld vorausgesetzt.
Fermentiert: Käse, Tofu und Tempeh
Basis für jeden Käse ist dickgelegte Milch, sprich: geronnenes Eiweiß. Ein Arbeitsschritt, der den Zusatz von Lab (beziehungsweise vegetarischen Alternativen) oder Milchsäurebakterien erfordert. Letztere wandeln zusätzlich den Milchzucker fermentativ zu Säure um. Klassische Sauermilchkäse sind Quark, Frischkäse und der Harzer Roller mit all seinen lokalen Variationen wie Handkäse oder Olmützer Quargel.
Beim Tofu sorgt der Zusatz von Gerinnungsmitteln wie Calciumsulfat für das Eiweißausflocken. Gibt man obendrein Milchsäurebakterien hinzu, entsteht fermentierter Tofu – ein asiatisches Lebensmittel mit säuerlicher Note und Jahrtausende alter Tradition.
Beides gilt auch für Tempeh. Nur werden hier gekochte Sojabohnen mit Edelschimmelpilzen versetzt. Nach einer mehrtägigen Fermentationszeit haben sich die fadenförmigen Pilzzellen sichtbar vermehrt und um die Bohnen "geschlungen". Eine feste Masse mit säuerlichem Geschmack ist das aromatische Ergebnis, welches sich in Scheiben geschnitten kalt essen lässt, aber auch angebraten und gewürzt feine Geschmacksnuancen bereithält.
Fermentierte Getränke
Das Grundprinzip von fermentierten Getränken
Das Grundprinzip bei der Fermentation von Getränken ist die Gleiche wie von Lebensmitteln. Mikroorganismen aus der Luft oder zugesetzt verrichten Ihre Arbeit. Es entstehen Bakterien oder Hefepilze, die auf diese Art Getränke konservieren.
Saft und Limonade
So mancher Gemüsesaft wird mit Milchsäurebakterien – die übrigens auch ganz natürlich beispielsweise auf einem frischen Krautkopf vorkommen – versetzt. Auf einem Sauerkraut- oder Möhrensaft liest man dann "milchsauer vergoren". Und tatsächlich macht sich die Arbeit der Bakterien auch geschmacklich bemerkbar – der Saft schmeckt weniger süß und bekommt eine frisch-säuerliche Note.
Selbst Limonade kann durch Fermentation ein besonderes Aroma bekommen. Bakterien nutzen hier den Zucker – ob zugesetzt oder natürlicherweise aus den Früchten stammend – und wandeln ihn in aromatische Substanzen um.
Kefir
ist ein Sauermilchgetränk, das durch den Zusatz kleiner Kefirknollen entsteht. Diese Symbiose aus Bakterien und Hefezellen produziert neben Milchsäure auch geringe Mengen Alkohol sowie Kohlensäure. Letztere macht Kefir zu einem erfrischend-prickelnden Getränk. Die Kefirzellen setzen ihre Arbeit übrigens auch oft im Becher noch fort – dann wölbt sich der Deckel nach oben, was keinesfalls ein Zeichen für Verderb ist.
Fermentierte Milch wird zu Joghurt
Joghurt und Schwedenmilch
Frische Milch ist ein leicht verderbliches Lebensmittel. Macht man sich jedoch die Arbeit bestimmter Bakterien zunutze, kann die Haltbarkeit entscheidend verlängert werden.
So bei Joghurt oder Schwedenmilch: Hier wandeln Bakterien einen Teil des Milchzuckers in Säure um. Die Milch bekommt eine aromatisch-frische Note und wird durch das Ausflocken ihres Eiweißes dick. Beim klassischen Joghurt sind es wärmeliebende Kulturen wie Lactobacillus acidophilus oder Lactobacillus bifidus, die zum Einsatz kommen. Bei der schwedischen Filmjölk verrichten andere Bakterienstämme die Arbeit und geben der Milch ihre milde Säure und typische Schwedenmilch-Konsistenz.
Brottrunk
Dieses Getränk – eine eingetragene Marke der Firma Kanne Brottrunk GmbH & Co. KG – basiert auf Vollkornbrot. Es wird zerkleinert und mit Quellwasser versetzt. Mehrere Monate Zeit gibt man dann den natürlicherweise vorkommenden Mikroorganismen für ihre Fermentation. Der Getreidezucker wird abgebaut, andere wertvolle Substanzen entstehen. Die gefilterte Flüssigkeit – der Brottrunk – wird lediglich abgefüllt, nicht pasteurisiert. Seine säuerlich-gärige Note kann – je nach Geschmack – mit Apfelsaft abgemildert werden.
Kombucha
Ähnlich wie beim Kefir macht sich für Kombucha eine Mischung aus Bakterien und Hefen ans Werk – Kombucha-Mutter oder Scoby genannt. Nur ist die Nahrung hier kein Milchzucker, sondern gesüßter Tee. Das kann grüner, schwarzer oder eine Mischung aus beiden sein. Vermehrt sich die Kombucha-Mutter, sieht man dies an einer gallertartigen Schicht auf dem Tee. Vor dem Trinken wird sie einfach abgeschöpft. Kombucha schmeckt erfrischend und ist feinperlig. Denn auch hier entstehen neben aromatischen Säuren Alkohol und spritzige Kohlensäure.